Eine Einzelhandels-Weihnachtsgeschichte
von Miki D. Bork
Es ist ungefähr 16:30. Die Sonne ist schon komplett untergegangen. Beladen mit viel zu viel Tüten, die auch alle schon viel zu voll sind, hetzt man durch den vorweihnachtlichen Matsch. Die Straßenlaternen spiegeln sich leicht in den nassen Steinen der Fußgängerzone, dann sie werden bei weiten von den grellen Schaufenstern der Geschäfte überstrahlt. Schaufenster säumen den Weg zu den Eingängen der Geschäfte, die nicht direkt an die Einkaufsstraße anschließen sondern weiter nach hinten versetzt sind. In diesen Tunneln, die einen von allen Seiten den Besucher mit voller Gewalt in gleisenden Licht die Vielfalt des Angebots in die Augen hämmern stehen angelehnt an die Scheiben erschöpfte Menschen. Kinder laufen in die Geschäfte und lassen die von allen Eindrücken übersättigten Menschen für einen Moment eine Art von Ruhe erfahren, die eher ein Kapitulieren vor der Gesamtsituation ist. Wo kommen wir her? Wo gehen wir hin? Was ist der Sinn des Lebens? Alle diese Fragen verlieren gerade an Bedeutung. In welchen überfüllten Kaufhaus ist das nächste Klo? Hätte man den langen Weg zum Parkhaus doch antreten sollen, um ein paar der Einkäufe im Auto abladen zu können? Wie lange hat dieses verdammte Parkhaus überhaupt noch auf? Länger als 18:00? Dann grummelt der Bauch. Getrunken hat man auch länger nichts und eine Glasflasche mit Wasser mitzuschleppen, wäre auch zu schwer. Der Schneematsch nähert sich mit jedem einzelnen Kunden immer weiter den automatischen Schiebetüren des Geschäfts.
Während die Kinder in der Spielzeugabteilung die großen Regaler mit den verschiedenen Spielzeugserien begutachten versucht der Partner unbemerkt was zu kaufen. Wenn das Bargeld reicht. Für was zu essen wird es nicht mehr reichen und man muss in eine Bank, um neues Geld zu holen. Vorher noch Kontoauszüge um zu gucken ob man noch im Budget liegt.
Die McDonalds-Filiale platz aus allen Nähten. Die obligatorischen Pizzarien sind auch voll. Unter jeden Tisch stapeln sich die Einkaufstaschen. Das Plastik ist die kleine Grenze zwischen den wertvollen Waren und dem unbändigen Kräften der Natur, der sich als Schneematsch nun auch schon der Pizzaria und den Innenraum der Schuhe der Gäste bemächtigt hat. Das gedämmte Licht und der warme Geruch der Pizza könnte einen nun fast einnicken lassen, wenn nicht diese extreme Lautstärke herrschen würde. Am Nachbartisch verhindert eine Mutter mit viel Geschrei gerade so, dass das Kind auf der Suche nach seinem Einkauf die Geschenke-Tüte öffnet. Der Bruder liest konzentriert in der Anleitung seines neuen Computerspiels. FSK? +-4 Jahre sind sicher ok, solange es nicht FSK18 ist, ist es sicher ok. Zwei Monate später wird er glücklich sein, sich das Spiel gekauft haben, weil es dann doch auf dem Index gelandet ist.
Am Ende steht man im noch kalten in einer endlosen Schlange in Richtung Ausfahrt im Parkhaus und wartet, dass man endlich dort bezahlen und in die Freiheit entlassen werden kann. Sicher versucht gerade jemand das Kleingeld, das vom Weihnachtseinkauf sich in rauen Mengen angesammelt hat, an der mit einem Menschen besetzen Parkhauskasse los zu werden. Eine Münze fällt dabei herunter.
Der Beifahrer befreit sich aus Gurt, Tüten und quetscht sich aus der Tür. Tritt in noch mehr Matsch. Hätte man sich es also sparen können die Schuhe im Parkhaus noch mal sauber zu machen, bevor man ins Auto stieg. Alle denken sich: Scheiß auf die 2 Mark.. aber es sind 2 Mark. Die Uhr interessiert es nicht und sie rückt un erbärmlich weiter und macht den Kindern klar, dass diesen Samstag genau die TV-Serie die letzte Woche mit einer Doppelfolge aufwartete heute nicht zu sehen geben wird. Showview wäre der Retter in der Not gewesen, aber mit dieser endlosen Schlange an Autos, die sich bis auf die oberste Ebene des Parkhauses erstreckt, hatte niemand gerechnet. Wie auch? Eine Frage, die man auf das nächste Jahr
verschiebt, wenn man wieder in dieser Situation ist. Du schließt genervt deine Augen. Dieses CBD-Schlafspray macht echt intensive Träume. Leider sehr teuer, aber ein paar hatten sowie noch gefragt, was du dir zu Weihnachten wünscht. Praktisch. Du musst denen nur noch kurz den Link schicken.