Agentur-Probleme: Es läuft nicht mehr... AI!
Viele Agenturen haben momentan ein Problem: So wie es die letzten zwei bis drei Jahre lief, läuft es einfach nicht mehr. Kunden bleiben aus. Bestehende setzen weniger Geld um oder springen komplett ab. Was übrig bleibt, können wenige Mitarbeitende bewältigen – während der Rest darauf wartet, dass neue Kunden kommen. Doch das bindet das Sales-Team und erfordert hohe Investitionen, um überhaupt überschaubare Projekte zu gewinnen.
Aber wer oder was ist schuld an der Situation?
Wenn man den zeitlichen Verlauf betrachtet, fällt auf, dass mit dem Beginn der Probleme auch etwas anderes gewachsen ist: Künstliche Intelligenz. AI ermöglicht es Kunden, viele Dinge selbst zu erledigen. Einfach die AI fragen – und schon bekommt man eine brauchbare Antwort. Kunden sind dadurch mündiger geworden und stellen mehr in Frage. Das macht es schwerer, ihnen etwas zu verkaufen. Klar, die wirtschaftliche Lage spielt auch eine Rolle, aber AI scheint der Haupttreiber zu sein.
So einfach ist es dann aber doch nicht.
AI ist großartig, gerade im generativen Bereich. Aber: Kein Kunde ersetzt seine Agentur durch AI und generiert einfach selbst Code. Vielmehr wird AI in Produkte integriert und macht diese zugänglicher und einfacher in der Bedienung. Gleichzeitig wird es aber auch komplexer, diese Systeme zu erweitern – denn die AI muss diese Anpassungen auch „verstehen“. Ja, AI hat sicherlich Entwicklungen beschleunigt, aber viele Probleme gab es schon vorher – und sie wären auch ohne AI irgendwann sichtbar geworden.
Corona ist nun endgültig vorbei. Damals konnte man sich auf die Straße stellen, einmal laut rufen: „Ich bin Programmierer“ – und 20 Minuten später hatte man fünf neue Kunden. Webshops und Homepages waren plötzlich kein Hype mehr wie zu Dotcom-Zeiten, sondern überlebensnotwendig, um mit Kunden in Kontakt zu bleiben und weiterhin verkaufen zu können. Wer keinen Webshop hatte, war raus. Und wer einen hatte, wollte plötzlich wieder vorne mitspielen. Es brauchte Beratung. Sales sprach mit Kunden, als wären sie "dumm". Man konnte ihnen viel verkaufen, denn sie hatten weder Ahnung noch Erfahrung. Lieber zu viel investieren, als unterzugehen.
Diese Zeit ist vorbei. Jeder, der einen Webshop brauchte, hat längst einen. Der Rest hat überlebt – oder sich bestätigt gefühlt, dass es auch ohne geht. Diese kleinen, unerfahrenen Kunden in Massen? Verschwunden. Manche Sales-Abteilungen haben sich nicht angepasst. Heute steht dir ein potenzieller Kunde gegenüber, der Geld für ein Upgrade seines Shops hat – nicht, weil er bisher etwas falsch gemacht hat, sondern weil er vieles richtig gemacht hat. Wer den behandelt wie einen Anfänger, verliert ihn sofort. Warum sollte sich jemand von einem erklären lassen, wie das eigene – erfolgreiche – Geschäft funktioniert?
#1: Die Zeit, in der man Kunden wie Idioten behandeln konnte, ist vorbei!
Auch der Mangel an Entwicklern ist vorbei. Man muss nicht mehr in Osteuropa suchen oder in Asien einkaufen. Entwickler gibt es wieder überall: gute, mittelmäßige und schlechte – also genau wie es sein sollte.
Kein Kunde baut sich mit AI selbst ein Shopware-Plugin. Tools wie Cursor und Junie ermöglichen das theoretisch erst seit wenigen Monaten. Kunden sind auch nicht mehr dankbar, dass eine Agentur überhaupt Zeit für sie hat. Wenn eine Agentur nicht liefert – in Qualität oder Quantität – sucht man sich eine andere oder stellt eben direkt Entwickler ein. Gerade für Firmen mit IT-Abteilung, SAP-Beratern und ERP-Know-how ist es kein weiter Schritt, auch einen Shopware-Entwickler ins Team zu holen. Der kann dann auch direkt an der Middleware mitarbeiten – ohne großen Overhead.
Ich kenne zwei Fälle, in denen der Ansprechpartner beim Kunden selbst aus der IT kam – und entschied: „Das machen wir jetzt intern.“ Eine Vollzeitkraft ist produktiver als eine Agentur, weil kaum Overhead entsteht. Die Codequalität? Ausreichend.
Und dann höre ich von Agenturen:
„Der Kunde hat zwei Entwickler eingestellt, um unseren einen zu ersetzen… Die werden schon sehen, dass das nichts wird!“
Falsch! Der Kunde hat genug Arbeit für zwei Leute – und die Agentur konnte schlicht nicht genug liefern.
#2: Angestellte Entwickler sind eine echte Alternative zu Agenturen!
Entwickler haben in den letzten Jahren sehr gute Arbeit geleistet. Ich habe mal zu einem Arbeitgeber gesagt:
„Ich bin gut, wenn ich mich selbst überflüssig gemacht habe – wenn die Software so einfach ist, dass ihr mich nicht mehr braucht.“
Und genau das haben viele Entwickler geschafft: intuitive Oberflächen, einfache Bedienung, modular aufgebaut, wiederverwendbar. Kunden sind nicht so individuell, wie sie glauben. Zwei, drei Konfigurations-Flags – und ein Plugin funktioniert für mehrere. Viele Shops kann man heute zu 90 % aus bestehenden Plugins zusammenstellen – ohne eine einzige Codezeile.
Dieses "Zusammenklicken" lässt sich super in einfache Oberflächen gießen. Dazu automatisiertes Deployment – und zack, hat man einen Cloud-Service. SAP behauptet, es gäbe keine Standardschnittstellen – aber am Ende bauen sie doch bei jedem Kunden das Gleiche. 90 % gibt es schon, 10 % sind individuelle Anpassungen – theoretisch auslagerbar in eine JSON-Datei.
Webshops funktionieren seit 20 Jahren nach dem gleichen Prinzip: Listing, Produktseite, Warenkorb, Checkout, Account. Wer so lange entwickelt hat, hat alles schon mal gebaut. Der Punkt ist erreicht: Kunden finden fast alles, was sie brauchen, bereits fertig.
#3: Es gibt fast alles schon – es muss nicht mehr neu entwickelt werden!
Natürlich zahlt ein Kunde heute nicht denselben Preis, wenn jemand einfach einen Shop zusammenklickt, wie damals, als alles individuell programmiert werden musste. Für echtes Custom-Development zahlt man noch immer gut – aber es ist seltener nötig.
Ein weiteres Thema ist der Overhead. Kunden wollen für Impact zahlen – nicht für Projektmanagement. Viele Kunden wären zufrieden, wenn man den Projektmanager streicht. Spart Geld, spart Zeit.
Natürlich gibt es sehr gute Projektmanager – die wissen, was der Kunde will, die auch mal einen Shopware-Flow anpassen, damit der Entwickler sich auf Code konzentrieren kann. Aber genauso gibt es viele, die teure Projekte verkaufen und managen wollen – aber nicht mal den Admin-Bereich bedienen können. Kunden, die täglich mit dem System arbeiten, merken schnell, wenn sie es besser verstehen als die Agentur.
#4: Kenne dein Produkt – und sei ein echter Experte!
Heute haben wir Kunden, die Profis sind. Und wir haben Tools, die fast alles können. Jedes Ticket ist schnell erledigt. Weniger Aufwand, weniger Stunden – weniger Geld. Gleichzeitig wächst der Druck: Tickets sollen schneller fertig werden. Und wenn du gut bist und brauchst statt 8 nur 4 Stunden, super – nur bekommst du dann auch weniger bezahlt.
Zeit gegen Geld ist ein veraltetes Modell. Kunden bezahlen gerne für Impact – und oft auch dafür, es schnell zu bekommen. Warum machen wir Aufwandsschätzungen zum Problem des Kunden?
Der Kunde will ein Ergebnis – das bekommt einen Preis. Ob das nun schon fertig rumlag oder neu entwickelt wird, ist egal. Wenn der Entwickler freitags mittags geht, weil er fertig ist: gut so! Die Leistung ist erbracht, das Geld verdient.
#5: Weg vom Zeitmodell – hin zu Festpreisen für Ergebnisse. Impact zählt, nicht Aufwand.
AI beschleunigt die Entwicklung enorm – vor allem bei neuen Ideen, Prototypen und Design. Dass etwas schneller geht, ist ein Vorteil, den man verkaufen sollte – kein Nachteil!
Fazit: AI ist weder Schuld noch allein die Lösung. Die eigentlichen Probleme reichen tiefer und sind älter als brauchbare AI. Sie kann vieles verbessern – aber nur, wenn das Umfeld mitzieht. „Das haben wir schon immer so gemacht“ ist ein schwaches Argument, wenn es darum geht, warum plötzlich nichts mehr funktioniert.